Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat unlängst einen Referentenentwurf für ein zweites Jahressteuergesetz 2024 veröffentlicht. Gemäß Referentenentwurf soll die Pflicht steuerbegünstigter Körperschaften zur zeitnahen Mittelverwendung mit Wirkung zum 01. Januar 2025 abgeschafft werden. Zudem soll gesetzlich klargestellt werden, dass steuerbegünstigte Körperschaften auch zu tagespolitischen Themen gelegentlich Stellung beziehen dürfen, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden. Das BMF reagiert mit dem Gesetzesentwurf auf den Ruf nach einer Reform des Gemeinnützigkeitsrechts. Die Verbände sind nun bis zum 17. Juli 2024 zur Stellungnahme aufgefordert. Das endgültige Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens bleibt mit Spannung abzuwarten.
Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung soll abgeschafft werden
Steuerbegünstigte Körperschaften wie gemeinnützige Stiftungen und gGmbHs müssen ihre Mittel bislang vorbehaltlich der Rücklagen- und Vermögensbildung (§ 62 AO) zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwenden. Grundsätzlich sind die Mittel der Körperschaft z.B. Spenden, Beiträge, Erträge aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben oder der Vermögensverwaltung demnach spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke zu verwenden. Bereits die zum 29.12.2021 in Kraft getretene Gemeinnützigkeitsrechtsreform hatte das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung aufgeweicht, indem dieser nicht für steuerbegünstigte Körperschaften mit jährlichen Einnahmen von nicht mehr als 45 000 Euro galt, § 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 AO.
Der Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz II enthält nun mit der Aufhebung des § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO eine kleine Revolution des Gemeinnützigkeitsrechts. Die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung ebenso wie die korrespondierenden Regelungen der Rücklagenbildung des § 62 AO und des § 63 Abs. 4 AO entfallen damit ersatzlos.
Gemäß dem Regierungsentwurf kommt der Gesetzgeber mit der geplanten Abschaffung der zeitnahen Mittelverwendung dem Ruf des Sektors nach einem Mehr an Flexibilität und Weniger an Bürokratie nach. So müssen steuerbegünstigte Körperschaften künftig etwa keine Mittelverwendungsrechnung mehr aufstellen, um die zeitnahe Mittelverwendung nachzuweisen. Ferner soll die Leistungsbeziehung zwischen gemeinnützigen Körperschaften gestärkt und damit Kooperationen gefördert werden.
Die Abschaffung der zeitnahen Mittelverwendung birgt die Gefahr der Entstehung steuerbegünstigter Körperschaften, die Mittel ansparen, ohne diese zur Zweckverwirklichung zu verwenden. Die Gesetzesbegründung verweist insofern auf das Prinzip der Ausschließlichkeit nach § 56 AO. Ausschließlichkeit liegt hiernach vor, wenn eine Körperschaft nur ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgt. Die dauerhafte Anhäufung von Vermögen, ohne dies für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwenden, stellt folglich einen Verstoß gegen das Prinzip der Ausschließlichkeit dar.
Klarstellung zur politischen Betätigung: Gelegentliche Stellungnahmen zu tagespolitischen Themen unschädlich
Aufgrund unscharfer Rechtsbegriffe und auslegungsbedürftiger Normen besteht bei Stiftungen und anderen steuerbegünstigten Organisationen Verunsicherung in Bezug auf eine politische Betätigung. Laut Umfragen befürchten ein großer Teil der steuerbegünstigten Körperschaften in Deutschland negative Folgen, wenn sie sich politisch äußern oder betätigen. Die unterschiedliche finanzgerichtliche und behördliche Auslegung der politischen Betätigung in Bezug auf die einzelnen steuerbegünstigten Zwecken hatte dieses Verunsicherung weiter verstärkt. So war beispielsweise umstritten, ob bei einer Podiumsdiskussion einer steuerbegünstigten Stiftung mit Bezug zu ihren steuerbegünstigten Zwecken das gesamte politische Spektrum des Deutschen Bundestages einzubeziehen sei oder nicht.
Der Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz II begegnet der vorherrschenden Unsicherheit mit einer gesetzlichen Klarstellung. So soll der § 58 AO um eine Nr. 11 ergänzt werden, nach deren Wortlaut eine steuerbegünstigte Körperschaft außerhalb ihrer Satzungszwecke gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung nehmen kann, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden. Auf diese Weise soll das demokratische Engagement von steuerbegünstigten Körperschaften unterstützt und gefördert werden.
Stiftungen und andere steuerbegünstige Körperschaften haben dennoch bei politischen Äußerungen weiterhin eine gewisse Vorsicht zu wahren. Denn die Gesetzesbegründung stellt ebenso klar, dass „gelegentliche“ Stellungnahmen nicht umfassen, sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu politischen Themen zu äußern. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung im Einzelfall müssen die politischen Stellungnahmen aufgrund eines besonderen Anlasses erfolgen und der steuerbegünstigten Zweckverfolgung untergeordnet sein. Auch bleibt zu berücksichtigen, dass parteipolitische Stellungnahmen mit Blick auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 AO immer gemeinnützigkeitsschädlich sind.
Der Referentenentwurf folgt damit insbesondere den Forderungen der Deutschen Stiftungsanwälte, welche diese in ihrer jüngsten Veröffentlichung zu diesem Themenkomplex dargelegt haben, vgl. Weber/Werner, BB 2023, 2760-2766.
Die Verbände sind nun bis zum 17. Juli 2024 aufgefordert, zum Referentenentwurf Stellung zu nehmen. Das endgültige Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens bleibt mit Spannung abzuwarten.
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