Der Bundesfinanzhof (BFH) hat unlängst entschieden: Beim Übergang von Vermögen auf eine Familienstiftung ist für die Bestimmung der anwendbaren Steuerklasse und des Freibetrags als „entferntester Berechtigter“ zum Schenker derjenige anzusehen, der nach der Stiftungssatzung potentiell Vermögensvorteile aus der Stiftung erhalten kann. Unerheblich ist, ob die Person zum Zeitpunkt des Stiftungsgeschäfts schon geboren ist, jemals geboren wird und tatsächlich finanzielle Vorteile aus der Stiftung erlangen wird.
Steuerklassenprivileg: Bestimmung des „entferntest Berechtigten“ im Sinne des § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG
Nach dem ausdifferenzierten System der Steuerklassen kann die Höhe des zu gewährenden Freibetrags bei der Besteuerung des Vermögensübergangs auf eine Familienstiftung unterschiedlich ausfallen und hängt davon ab, ob die Stiftungssatzung als potentiell begünstigte Kinder (Freibetrag von 400.000 EUR, § 16 Abs. 1 Nr. 2ErbStG), Enkel (Freibetrag iHv 200.000 EUR, § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) oder Urenkel (Freibetrag von 100.000 EUR, § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) anführt. Ausschlaggebend für die Bestimmung des „entferntest Berechtigten“ ist nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG die Stiftungsurkunde. Damit obliegt es dem Stifter, den Kreis der aus dem Stiftungsvermögen potentiell Begünstigten festzulegen.
Maßgeblichkeit der potentiell Begünstigten gemäß der Stiftungssatzung
Die Formulierung des „entferntest Berechtigten“ ist laut aktuellem BFH-Urteil dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige bezeichnet wird, der nach der Stiftungssatzung potentiell Vermögensvorteile aus der Stiftung erhalten soll. Der „Berechtigte“ iSd § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG entspricht dem nach der Stiftungssatzung „potentiell Begünstigten“, der durch den Erwerb von Vermögensvorteilen aus der Stiftung begünstigt sein kann. Entgegen der Ansicht der Klägerin im dem BFH vorliegenden Streitfall differenziert die Norm nicht zwischen einem „Berechtigten“ im Sinne eines sofort Anspruchsberechtigten und einem „Begünstigten“, der erst später anspruchsberechtigt sein soll.
Ebenso komme es dem Wortlaut der Norm auch nicht darauf an, ob die nach der Stiftungssatzung „entferntest Berechtigten“ zum Zeitpunkt des Stiftungsgeschäfts schon geboren sind oder jemals geboren werden. Denn der § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG privilegiert Zuwendungen bei der Errichtung einer Familienstiftung bereits und gibt dem Stifter die Möglichkeit, eine günstigere Steuerklasse und einen höheren Freibetrag zu erhalten. Begünstigt er bspw. nur die nächste und übernächste Generation der direkten Abkömmlinge, kann er mit der Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 3 ErbStG) und dem Freibetrag von 200.000 EUR (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) eine geringere Besteuerung erreichen, als wenn er auch die Urenkelgeneration begünstigt. Würde man im Zeitpunkt der Übertragung des Vermögens auf die Familienstiftung Steuerklasse und Freibetrag danach anwenden, ob die Abkömmlinge bereits geboren sind, entstünde eine Überprivilegierung, wenn später weitere Abkömmlinge geboren werden, die dann auch finanzielle Vorteile aus der Stiftung erlangen können. Dies würde eine Überwachung der Familienstiftung voraussetzen, die im Gesetz nicht angelegt ist.
Praxistipp: Sorgfalt bei der Satzungsgestaltung mit Blick auf den gewünschten Freibetrag
Der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigt mit seinem Urteil, dass bei dem Übergang von Vermögen auf eine Familienstiftung für die Bestimmung der anwendbaren Steuerklasse und des Freibetrags als „entferntester Berechtigter“ derjenige anzusehen ist, der nach der Stiftungssatzung potentiell Vermögensvorteile aus der Stiftung erhalten kann. Unerheblich ist demnach, dass ein potentiell Begünstigter der Urenkelgeneration bei Errichtung der Stiftung noch nicht geboren ist. Die Entscheidung des BFH vergegenwärtigt die besondere Sorgfalt, die bei der Satzungsgestaltung anzuwenden ist, um eine böse Überraschung bei der Erbschafts- bzw. Schenkungsbesteuerung zu vermeiden.
Das Steuerklassenprivileg begünstigt Stifter bei der Errichtung einer Familienstiftung erbschafts- bzw. schenkungssteuerlich, indem bei Vermögensübertragung die Stiftung steuerlich nicht als fremder Dritter veranschlagt wird, sondern die Freibeträge des nach der Satzung „entferntesten Berechtigten“ genutzt werden können. Vorzugsweise ist mit der satzungsseitigen Festlegung des „entferntesten Berechtigten“ eine Privilegierung nach Steuerklasse I anzustreben. Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass innerhalb der Steuerklasse I beachtliche Unterschiede hinsichtlich der Höhe des Freibetrags bestehen – für Kinder gilt ein Freibetrag von 400.000 EUR, für Enkel von 200.000 EUR und für Urenkel von 100.000 EUR.
Vor dem Hintergrund des aktuellen BFH-Urteils ist bei Gestaltung der Stiftungssatzung daher auf eine präzise Formulierung der Begünstigten zu achten, um den gewünschten Freibetrag auch tatsächlich nutzen zu können. Denn bereits nach der Satzung lediglich potenziell begünstigte noch ungeborene Nachkommen beeinflussen die Höhe der steuerlichen Festsetzung unabhängig davon, ob sie jemals geboren und tatsächlich finanzielle Vorteile aus der Stiftung erlangen werden.
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